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kritisch gespielt: Umbrella

Umbrella von Flavien Dauphin und Benoit Turpin – erschienen bei HUCH!

Umbrella - Box
Bild: HUCH!

Ich weiß gar nicht, mit wel­chen pop­kul­tu­rel­len Anspie­lun­gen ich die­se Ein­lei­tung zu UMBRELLA fül­len soll? Ein logi­scher Gedan­ke ist natür­lich der pas­sen­de Song von Rihan­na. Durch den Unter­ti­tel und ins­be­son­de­re das The­men­set­ting muss aber auch Gene Kel­lys "Sin­gin' in the Rain" refe­ren­ziert wer­den. Wenn ich aber ehr­lich bin, dann habe ich beim Wahr­neh­men des Covers zuerst an die vie­len Regen­schirm-Gas­sen in den unter­schied­lichs­ten Städ­ten gedacht, die ein weit ver­brei­te­tes Phä­no­men zu sein scheinen.

The­ma... wir füh­ren Regie bei einer Tanz­dar­stel­lung in den Stra­ßen New Yorks. Dabei wol­len wir bun­te Regen­schir­me auf den Stra­ßen bestimm­te Kom­bi­na­tio­nen ein­neh­men las­sen. Wir schie­ben dem­nach unse­re Tän­zer und Tän­ze­rin­nen hin und her, um in der Vogel­per­spek­ti­ve beein­dru­cken­de Bil­der zu erzeugen.

Illus­tra­tio­nen… sind unver­kenn­bar von Vin­cent Dutrait. Somit dür­fen wir uns wie­der an kräf­ti­gen Far­ben und eini­gen klei­nen Details erfreu­en – und uns ärgern, dass der ange­deu­te­te Fly­er im Schach­tel­bo­den nicht als Pro­mo auf Mes­sen ver­teilt wird. Das bei mir hän­gen­de HEAT-Pla­kat von der SPIEL 22 wird also vor­erst kei­ne pas­sen­de Ergän­zung finden.

Aber die­ses Bei­spiel zeigt gut, war­um Vin­cent Dutrait aktu­ell so von der Sze­ne gefei­ert wird. Bei ihm hat man nicht das Gefühl, dass ledig­lich Auf­trä­ge abge­ar­bei­tet wer­den. Er bringt oft­mals eine Sache mit, die im Kon­text der von ihm gestal­te­ten Medi­en per­fekt passt: Verspieltheit!

Umbrella - Übersicht
über­zeu­gen­des Material

Aus­stat­tung… über­zeugt voll­ends. Die vie­len bun­ten Regen­schir­me sind nicht etwa Pappplätt­chen, son­dern bedruck­te Holz­schei­ben. Die­se plat­zie­ren wir auf unse­ren weit­räu­mi­gen Tableaus, die dop­pel­la­gig aus­ge­führt sind. So bestehen Aus­spa­run­gen sowohl für die Regen­schir­me, als auch für die unter­schied­li­chen Auf­ga­ben­plätt­chen und Wer­tungs­leis­ten. Des Wei­te­ren wer­den noch wei­te­re klei­ne Zebra­strei­fen­ta­bleaus als Abla­ge­flä­chen zwi­schen den Spie­len­den angeboten.

Umbrella - Start
der Tanz kann beginnen

Ablauf… ist schnell ver­in­ner­licht. Sind wir am Zug, neh­men wir uns eine Regen­schirm­schei­be und schie­ben die­se in das bestehen­de 4*4‑Raster auf unse­rem Tableau. Dabei ist ent­schei­dend, von wo wir die­se Schei­be neh­men. Bedie­nen wir uns am rech­ten Zebra­strei­fen­ta­bleau, dann kön­nen wir die­sen Regen­schirm auch nur von der rech­ten Sei­te ins Spiel brin­gen. Der dann auf der lin­ken Sei­te her­auspur­zeln­de Regen­schirm wird auf das pas­sen­de Tableau links von uns plat­ziert. Ähn­lich läuft es ab, wenn wir Schei­ben aus der Mit­te (= oben) neh­men, nur dass wir dar­über dann einen per­sön­li­chen Vor­rat unter­halb des Ras­ters bil­den, von dem sich nie­mand bedie­nen kann – im deut­li­chen Gegen­satz zu den ande­ren Tableaus.

Umbrella - Aufgaben
die­se For­ma­tio­nen wol­len wir erfüllen

Somit ver­än­dern wir die Anord­nung der Far­ben in unse­rem Ras­ter. Unser Ziel ist es, so die Anord­nun­gen unse­rer Ziel­plätt­chen zu erfül­len. Haben wir eine sol­che Auf­ga­be am Ende unse­res Zuges erfüllt, geben wir das Ziel­plätt­chen wei­ter und wir mar­kie­ren uns einen Erfolg in unse­rem Wer­tungs­be­reich. Wenn wir dar­über wie­der­um klei­ne Auf­ga­ben erfül­len, erhal­ten wir am Ende noch Bonus­punk­te. Das Ende tritt ein, wenn ent­we­der alle Wer­tungs­schei­ben ver­ge­ben wur­den oder eine Per­son ent­we­der alle eige­nen Wer­tun­gen durch­ge­führt oder kein Ziel­plätt­chen vor sich lie­gen hat.

Das gefällt mir nicht so gut: UMBRELLA ist im bes­ten Sin­ne ein abs­trak­tes Tüf­tel-Spiel. Wie schie­be ich mir die Schei­ben so zurecht, dass ich mit so wenig Zügen wie mög­lich vie­le Ziel­plätt­chen erfül­len kann? Dum­mer­wei­se bin ich bei die­ser Tüf­te­lei sehr ein­ge­schränkt. Denn wenn rechts von mir kein blau­er Schirm liegt, dann kann ich ihn dort auch nicht her­ein­schie­ben. Und war­um liegt dort kein Schirm? Weil ich nicht auf­ge­passt habe? Weil ich mich ver­kal­ku­liert habe? Meist eher, weil jemand anders die­sen schon vor­her benutzt hat. Anfangs ist das gar nicht so das Pro­blem, weil es genü­gend Alter­na­ti­ven gibt. Aber am Ende will ich durch die Boni auf der Wer­tungs­leis­te bestimm­te Far­ben lie­ber erfül­len als ande­re. Dann habe ich aber kaum eine Mög­lich­keit, mir ziel­ge­rich­tet selbst hel­fen zu kön­nen, son­dern ich bin immer von den ande­ren abhängig.

Da UMBRELLA auch ein Wett­ren­nen ist, kos­ten lang­fris­ti­ge Umbau­ar­bei­ten oft­mals zu viel Zeit. Also hof­fe ich eher auf eine glück­li­che Wei­ter­ga­be von erfüll­ten Ziel­plätt­chen, um doch noch schnell mei­ne Wer­tungs­stei­ne able­gen zu kön­nen. Rich­tig erfül­lend ist das aber nicht. Viel lie­ber wäre ich pla­ne­risch aktiv. Weil aber alles mit­ein­an­der ver­wo­ben ist, ver­su­che ich eher sich erge­ben­de Gele­gen­hei­ten aus­zu­nut­zen. Das mag auch Spiel­spaß berei­ten, aber UMBRELLA gibt mir anfangs etwas ande­res vor, sodass ich letzt­lich vom Spiel­ver­lauf ent­täuscht bin.

Umbrella - Wertungsleiste
unter­schied­li­che Wer­tungs­leis­ten, glei­ches Spielgefühl

Die­ser ein­schrän­ken­de Spiel­ver­lauf ändert sich auch nicht durch die unter­schied­li­chen Wer­tungs­ta­feln. Die­se haben den Vor­teil, dass sie mir etwas mehr Frei­räu­me geben und sogar Son­der­ak­tio­nen ins Spiel brin­gen – die ich schon ger­ne im Basis­spiel vor­ge­fun­den hät­te. Aber auch dann bleibt meist das glei­che Gefühl: Das The­ma und die Gestal­tung ver­spre­chen mir einen luf­ti­gen Rei­gen, am Ende flu­che ich nur über feh­len­de Far­ben. Und wenn ich, um das zu ver­mei­den, fünf Züge im Vor­aus die Züge aller Mit­spie­len­den durch­den­ke, bekom­me ich den berech­tig­ten Hin­weis, dass ich viel­leicht doch mal selbst mei­nen Zug machen soll. UMBRELLA kann zur Ana­ly­se-Para­ly­se verleiten.

Eine Sache macht mich übri­gens rich­tig fer­tig: die fal­sche Anord­nung der Zebra­strei­fen. Als Ver­kehrs­pla­ner, der ich nun ein­mal bin, ist die­se 90° Dre­hung der Strei­fen­an­ord­nung nur schwer zu ertra­gen. Da ich noch nicht in New York war, habe ich mir die­sen Faux­pas damit erklä­ren wol­len, dass dies viel­leicht den tat­säch­li­chen Mar­kie­run­gen ent­spricht. Die­ser Fra­ge nach­ge­hend habe ich extra Luft­bil­der aus New York geprüft – und die bestä­ti­gen nur mein Erschau­dern. Die­ser Feh­ler schmerzt mich mehr als der ein oder ande­re klei­ne Dar­stel­lungs­feh­ler bei den Bei­spie­len in der Anlei­tung. Die­se ist eigent­lich gut struk­tu­riert, manch­mal fehlt jedoch die sprach­li­che Prä­zi­si­on. So haben z.B. eini­ge Grup­pen den Feh­ler began­gen, anfangs nur zwei Ziel­plätt­chen auf das eige­ne Tableau zu legen, statt zwei mal zwei. In der Fol­ge wur­de sich gewun­dert, wie schnell eine Par­tie vor­bei sein kann ...

Das gefällt mir gut: UMBRELLA lebt vom tol­len Mate­ri­al. Die Holz­schei­ben, die dop­pel­la­gi­gen Tableaus, die wun­der­schö­nen Illus­tra­tio­nen – damit spie­le ich ein­fach ger­ne! Zumal die gestell­te Auf­ga­be in zwei Minu­ten durch­drun­gen ist. Auf­bau­en, kurz erklä­ren und schon kön­nen wir los­le­gen. UMBRELLA ver­eint somit fast alle Merk­ma­le eines über­zeu­gen­den Fami­li­en­spiels. Selbst der eigent­li­che abs­trak­te Mecha­nis­mus gewinnt durch das über­zeu­gend gewähl­te The­men­set­ting an Kon­tur. Es fehlt aber der Spielspaß!

Umbrella - Ziel erfüllt
Ziel erfüllt – aber nicht überzeugt

Fazit: UMBRELLA zeigt exem­pla­risch, dass ein Spiel noch so gut pro­du­ziert sein kann: am Ende muss es auch spie­le­risch über­zeu­gen. Das schafft UMBRELLA jedoch zu sel­ten. Die ein­zel­nen Par­tien sind zu gleich­för­mig, zu ein­engend und schlicht auch zu lang­wei­lig. Schade!

Titel Umbrel­la
AutorenFla­vi­en Dau­phin und Benoit Turpin
Illus­tra­tio­nenVin­cent Dutrait
Dau­er30 Minu­ten
Per­so­nen­an­zahl1 bis 4 Personen
Ziel­grup­peschie­ben­de Familienspielrunden
Ver­lagHUCH!
Jahr2024
Hin­weisVie­len Dank an den Ver­lag für die Bereit­stel­lung
eines Rezen­si­ons­exem­plars!

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