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kritisch gespielt: Arler Erde

Arler Erde von Uwe Rosenberg erschienen bei Feuerland Spiele

Arler Erde Feuerland Spiele
Foto: Feu­er­land Spiele

Aktu­ell wird inten­siv über das neue Spiel von Uwe Rosen­berg EIN FEST FÜR ODIN dis­ku­tiert: Ist das Spiel mehr Arbeit als Spiel? Gibt es nicht zu vie­le Mög­lich­kei­ten? Wo ist die Inno­va­ti­on? Und erschlägt einen nicht die Mate­ri­al­fül­le (wort­wört­lich sicher­lich, wenn das 3 kg schwe­re Spiel aus einem hohen Regal einem auf den Kopf fällt)? Das sind alles Fra­gen, die ich schon ein­mal in ande­rem Zusam­men­hang gehört habe – näm­lich, als ARLER ERDE auf den Markt kam. Und davor bei CAVERNA und bei ORA & LABORA... Bei ARLER ERDE gibt es aller­dings noch die Beson­der­heit, dass das Spiel ledig­lich für zwei Per­so­nen aus­ge­legt ist. Und wie las­sen sich nun die Fra­gen beantworten?

The­ma... ist mehr als prä­sent. Laut Ver­lag ist es "das auto­bio­gra­fischs­te aller Spie­le von Uwe Rosen­berg", spielt es doch in dem Dorf, in dem der Vater gebo­ren und die Eltern gehei­ra­tet haben. Aller­dings befin­den sich die Spie­ler in die Zeit um 1800 zurück­ver­setzt. Ziel des Spiels ist es, über den eige­nen Hof das Dorf wei­ter zu ent­wi­ckeln. Dabei müs­sen Moo­re ent­wäs­sert, Dei­che ver­legt, Acker­bö­den bestellt und Tie­re gezüch­tet wer­den. Zusätz­lich gilt es, das Hand­werk wei­ter­zu­ent­wi­ckeln und über Gebäu­de­bau das Dorf zu ver­grö­ßern. Und wer damit nicht genug zu tun hat, der soll­te noch Han­del mit den umlie­gen­den Dör­fern und Städ­te trei­ben. Wie dicht das The­ma im Spiel ver­wo­ben ist, wird auch durch das bei­lie­gen­de Begleit­heft belegt, wel­ches dem Spie­ler einen tie­fe­ren Blick in die his­to­ri­schen Zusam­men­hän­ge des Spiels bietet.

Arler Erde - Deichbewohner
ich höre schon das "Plopp" der Flensflasche

Gra­fik... ist von Den­nis Lohau­sen und mal wie­der wun­der­schön. Neben der gewohnt guten Sym­bol­spra­che kom­men auch wie­der die klei­nen lus­ti­gen Details nicht zu kurz. Dort ein paar Scha­fe, hier eine klei­ne Bank mit Dorf­be­woh­nern. Das hat schon die Qua­li­tä­ten eines Wim­mel­bil­des von Rot­raud Susan­ne Ber­ner – ohne dass einem die Optik wirr oder unru­hig erscheint. Eine Augen­wei­de ist auch die Box­ge­stal­tung: der Deckel zeigt Arle im Som­mer, die eigent­li­che Box die glei­chen Gebäu­de im Win­ter. Es war gar nicht so ein­fach, sich hier auf ein paar Fotos zu beschränken...

Arler Erde - schwarzbunte Kühe
Fries­land ohne schwarz­bun­te Kühe und Deich­läm­mer? Undenkbar!

Aus­stat­tung... ist so, wie man es von Feu­er­land gewohnt ist. Die hohe Box ist rand­voll mit unzäh­li­gen Pappplätt­chen, Spiel­plä­nen und Holz­tei­len. Beson­ders erwäh­nens­wert sind die "schwar­b­un­ten" Kühe, die es in lie­be­vol­ler Klein­ar­beit zu bekle­ben gilt. Aber frie­si­sche Kühe haben nun ein­mal so auszusehen.

Ablauf... ist reins­tes Woker-Pla­ce­ment. Jeder Spie­ler hat vier Fami­li­en­mit­glie­der und die gilt es in neun Halb­jah­ren auf gefühlt unzäh­li­gen Fel­dern ein­zu­set­zen. Alles irgend­wie bekannt und ver­traut. Gro­ßer Clou ist, dass es eine Som­mer- und Win­ter­sei­te gibt. Dem­entspre­chend ste­hen die Hälf­te der mög­li­chen Aktio­nen nur in der jewei­li­gen Jah­res­hälf­te zur Verfügung.

Arler Erde - Personenscheiben
Per­so­nen­s­ein­satz im August des drit­ten Jahres

So fol­gen die Spie­ler dem typi­schen Rhyth­mus des bäu­er­li­chen Lebens vor etwa 200 Jah­ren. Immer wer­den die vier Fami­li­en­mit­glie­der zum Arbei­ten ani­miert, dann erfolgt eine Aus­wer­tung, in der Nah­rung auf­ge­bracht wer­den muss (und im Win­ter Torf zum Hei­zen), aber in der sich auch Tie­re ver­meh­ren und bspw. Flachs und Getrei­de geern­tet wird. Nach neun Halb­jah­ren (und etwa 90 min) wird abge­rech­net und dann gibt es Punk­te für alles. Je nach gewähl­ter Stra­te­gie wird es in man­chen Berei­chen vie­le Punk­te und in ande­ren dafür kei­ne Punk­te geben. Hier muss sich ein Spie­ler auf bestimm­te Punk­te kon­zen­trie­ren, um am Ende erfolg­reich zu sein.

Arler Erde - Einsetzfelder
ver­schie­de­ne Ein­setz­fel­der für ver­schie­de­ne Strategien

Das gefällt mir nicht so gut: ARLER ERDE ist eigent­lich kom­plett soli­tär. So ist es nicht ver­wun­der­lich, dass die Solo­va­ri­an­te nur eine klei­ne Zusatz­re­gel auf­weist aber ansons­ten den Spiel­ab­lauf unver­än­dert lässt. Jeder Spie­ler "boß­elt" vor sich hin und nur sel­ten kommt es dazu, dass ein Ein­setz­feld schon vom Mit­spie­ler besetzt ist (und für die­sen Fall gibt es noch eine Nach­ahm-Mög­lich­keit). Grund dafür sind auch die vie­len ver­schie­de­nen Stra­te­gien. Mer­ke ich, dass mein Mit­spie­ler Stra­te­gie A gewählt hat, dann wer­de ich meist auf Stra­te­gie B, C oder D umschwen­ken, anstatt in Kon­kur­renz zu tre­ten. Nun kommt es dar­auf an, die gewähl­te Stra­te­gie kon­se­quent durch­zu­zie­hen. Misch­stra­te­gien sind dabei erfah­rungs­ge­mäß weni­ger erfolg­reich. Und die Fül­le an Mög­lich­kei­ten erschwert die­se not­wen­di­ge Kon­zen­tra­ti­on auf die gewähl­te Stra­te­gie – zudem schon seit Spiel­be­ginn alle Mög­lich­kei­ten zur Ver­fü­gung ste­hen (und die­se nicht etwa Stück für Stück ein­ge­führt wer­den). Immer hat man das Gefühl, dass man noch die­se Akti­on und jene durch­füh­ren soll­te – ein­fach, weil die Mög­lich­kei­ten bestehen. Das hat etwas von einem Besuch in einem Süß­wa­ren­la­den mit vol­lem Bauch. Man wür­de ja ger­ne noch so viel aus­pro­bie­ren, aber es geht nichts mehr in den Bauch hinein.

Arler Erde - Spielertableau
lang­sam wächst das eige­ne Dorf

Das gefällt mir gut: Die the­ma­tisch Ein­bet­tung ist ein­fach über­ra­gend. Alles was man macht, erscheint einem logisch. Das Spiel hat vie­le vie­le Regeln, aber der Ablauf ist gut nach­zu­voll­zie­hen und man kann mit Freu­de ein­fach mal drauf los­spie­len. Damit wird man nicht den Punk­te­re­kord bre­chen, aber man erfreut sich trotz­dem an dem Aus­bau des eige­nen Dor­fes. Ähn­lich wie bei AGRICOLA steht bei mir bei ARLER ERDE nicht das Gewin­nen im Vor­der­grund, son­dern das posi­ti­ve Erleb­nis, etwas auf­zu­bau­en. Außer­dem fin­de ich das Spiel nicht zu ver­kopft. Es gilt kein Pro­duk­ti­ons­rad zu beach­ten, son­dern alles ist recht direkt und klar vor­ge­ge­ben. Will ich aus Wol­le Klei­dung machen, dann muss ich die­se nun ein­mal ins Nach­bar­dorf trans­por­tie­ren, damit sie dort ent­spre­chend wei­ter­ver­ar­bei­tet wird. Also als Arbeit emp­fin­de ich das Spiel zu kei­ner Zeit. Unter­stützt wird die­ses posi­ti­ve Spiel­erleb­nis durch tol­les Mate­ri­al und eine her­vor­ra­gen­de gra­fi­sche Gestaltung!

Arler Erde - Blick aufs Umland
Das Umland freut sich auf unse­re Erzeug­nis­se – gut, wenn man dafür einen Fuhr­park zur Ver­fü­gung hat.

Fazit: ARLER ERDE ist sicher­lich nicht ein Spiel für schnell mal zwi­schen­durch. Allei­ne schon der Auf­bau der unzäh­li­gen Mate­ria­li­en dau­ert so lan­ge wie ein schnel­les Qui­ckie-Spiel­chen. Doch nimmt man sich die Zeit, wird man immer wie­der mit einem tol­len Spiel­erleb­nis belohnt. Jede Par­tie erzählt eine klei­ne Geschich­te. Mal berei­se ich das kom­plet­te Umland, ein ande­res Mal habe ich mich mehr auf die Vieh­zucht kon­zen­triert. Mal schwel­ge ich in Nah­rung, mal muss ich anfangs ganz schön hun­gern. Die Schwä­chen des Spiels machen es sicher­lich nicht zu einem Spiel für jeder­mann – bei mir steht es jedoch hoch im Kurs.

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